E.S. Kulakowa, Doktor der Kunstwissenschaften, Mitglied des Internationalen Rates der Roerich-Organisationen namens S. N. Roerich, Leiterin des Volksmuseums der Roerichfamilie (Russland, Nowokuznetsk) und ihre kritischen Gedanken zum Buch:

 

Hoffe nicht, erhöht zu werden, wenn Du Andere herabsetzt

 

Ende 2011 brachte der Osburg-Verlag Berlin das Buch Ernst von Waldenfels "Nikolai Roerich - Kunst, Macht und Okkultismus" heraus. Das Werk mit einem Umfang von 560 Seiten wird der breiten Leserschaft in Zeitungsartikeln und Internet-Shops als einzige vollständige Biografie Nicholas Roerichs in Deutschland vorgestellt. Der Autor des Buches verflacht das kulturelle, wissenschaftliche und gesellschaftliche Schaffen des großen russischen Malers Nicholas Konstantinowitsch Roerich, indem er sich vorzugsweise auf sekundäre Quellen wie die Tagebücher von L. Horch, E. Lichtmann, S. Fosdik sowie auf pseudowissenschaftliche Arbeiten A.Andrejews, W.Rossows und O.Schischkins stützt, und schafft ein nicht der Wirklichkeit entsprechendes Bild eines politischen Abenteurers.

Ernst von Waldenfels verzichtet auf ein objektives Herangehen an die Biografie einer herausragenden Persönlichkeit der Weltkultur - des Gründers des Internationalen Paktes zum Schutz kultureller Werte, da er sich nicht mit den Primärquellen, nämlich den Arbeiten Nicholas Roerichs auseinandersetzt, in denen die Tiefe der begnadeten schöpferischen Persönlichkeit des Malers enthüllt wird. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Buch des deutschen Autors voll von Entstellungen und Vermutungen ist. Lassen Sie uns ein paar Beispiele anschauen.
Im Vorwort Ernst von Waldenfels werden falsche Schlussfolgerungen über religiöse Ziele der Zentralasiatischen Expedition Nicholas Roerichs gezogen, und zwar auf Basis der verzerrten Übersetzung des Tagebuches Doktor K. N. Rjabinins (das Buch "Bloßgestelltes Tibet"). Hätte sich der Autor die Mühe gemacht, sich mit den Büchern "Altai - Himalaya" und "Das Herz Asiens" von Nicholas Roerich vertraut zu machen, so hätte er erkannt, dass sich der Maler rein wissenschaftliche Ziele gesetzt hatte. "Außer den künstlerischen Aufgaben hatten wir in unserer Expedition vor, den Zustand der altertümlichen Denkmäler Zentralasiens kennenzulernen, den gegenwärtigen Zustand von Religion und Brauchtum zu beobachten und Spuren der großen Völkerwanderung zu entdecken. "Diese letzte Aufgabe lag mir seit langem am Herzen", schrieb Nicholas Roerich im Buch «Herz Asiens» [3, S. 160]. Wir halten an dieser Stelle fest, dass Nicholas Roerich das Ziel hatte, "den gegenwärtigen Zustand der Religion zu beobachten", und nicht "den wahren Buddhismus zu schaffen".

Wir wollen noch ein weiteres Beispiel unrichtiger Informationen anführen. Im Kapitel mit dem Titel "In der Stadt des roten Helden" behauptet der Autor, dass Nicholas Roerich "stets die Bedeutung seines Besuches der Sowjetunion herabspielte" [2]. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Die Liebe Roerichs zur Heimat war beständig und bestimmte sowohl seinen gesamten Lebensweg als auch sein gesamtes Schaffen. Deutlich wird sie in den Worten des Malers in seinem Artikel "Vermächtnis": "Liebt die Heimat. Liebt das russische Volk. Möge diese Liebe lehren, auch die gesamte Menschheit zu lieben. Um die Heimat zu lieben muss man sie erleben. Möge das Erleben fremden Länder zur Heimat, zu allen ihren unbeschreiblichen Schätzen, führen". [8].
Die geringe Bekanntschaft Ernst von Waldenfels mit den Werken Nicholas Roerichs führt dazu, dass er im vierten Teil des Buches Nicholas Roerich und der von ihm geleiteteten Zentralasiatischen Expedition ungerechtfertigt einen politischen Charakter zuschreibt, deren Ziel die Bildung eines unabhängigen Staates sei. Hier in Sibirien wird "ein ganzes eigenes Paradies der Roerichs, nämlich Swenigorod, gegründet" [2, Teil. 4, Kap.5], schreibt er. Die Stadt Swenigorod kommt tatsächlich in den Werken Nicholas Roerichs vor , aber nicht als neuer Staat, sondern als eine zukünftige Stadt des Wissens - ein grosses wissenschaftliches und kulturelles Zentrum im Altai, wo die Natur selbst einzigartige Bedingungen dazu geschaffen hat. Waldenfels jedoch führt die Linie des russischen Autors W.Rossows fort, der in seiner Dissertation "Die Russisch-Amerikanischen Expeditionen N. K. Roerichs nach Zentralasien (1920er - 1930er Jahre)" Vermutungen anstellte, die in Printmedien, Tagebüchern, Korrespondenzen russischer Emigrantenkreise erhalten blieben als Vervollständigung der historischen Wahrheit jener Zeit, welche jedoch, so wie auch Waldenfels, die Werke Nicholas Roerichs selbst ignorierten.

Bekanntlich hat sich Nicholas Roerich nie mit Politik beschäftigt. Darüber hat er selbst mehrfach geschrieben. "Ich bestreite energisch jedwede politische Tätigkeit von meiner Seite oder seitens anderer Mitglieder der Expedition", schrieb er im Brief an G. Wallace von 28.08.1935 [4]. Weiterhin: "Mit Politik haben wir uns niemals beschäftigt, und ich weiß, dass dieser Umstand Befremden, Unverständnis und sogar Tadel hervorrief. Wir sind keiner politischen Partei beigetreten und hatten in diesem Zusammenhang sogar einige lange und wenig angenehme Gespräche. Aber wie von Anfang an, so sind wir bis heute parteilose Fortschrittler, der Kultur- und Ausbildungssache ergeben. Das Gebiet der Kultur ist so eigenartig und umfangreich, dass es unmöglich ist in sie ständig erschütternde politische Überlegungen hineinzutragen. Gerade das Gebiet der Kultur ist unerschütterlich, und ihre Türen sind allem geöffnet, was über Schöpfung, Frieden, Wohl und Erfolg der Völker nachdenkt". [5]

Gegen die Habilitationsarbeit Rossows, die verleumderische Erklärungen zur Expedition Nicholas Roerichs enthält, ist die wissenschaftliche und kulturelle Öffentlichkeit Russlands und anderer Länder aufgetreten. So hat der Direktor des Internationalen Institutes für indischen Kultur, Doktor Lokesh Chandra, als Antwort auf den Brief des A. Rossows Folgendes geschrieben. "Sehr geehrter Dr. Rossow! Betreffend Ihren Brief vom 16. August 2007. In bestimmten Fragmenten Ihrer Dissertation, die der Zentralasiatischen Expedition in den 1920er-1930er Jahren gewidmet ist, wird der Maler und Philosoph N. K. Roerich als politischer Abenteurer dargestellt. Das Werk Nicholas Roerichs muss durch das Prisma der Bilder, der Druckwerke und seiner Widmung der Sache der Kultur und des Friedens betrachtet werden. Ihn in das enge Kostüm eines politischen Intriganten zu zwängen bedeutet, ihm gegenüber Ungerechtigkeit zuzulassen. Nicholas Roerich bedeutet die Wiedergeburt der Werte für ein neues Russland. Das Vorgehen Nicholas [Roerichs] beinhaltet vor allem die Überbewertung der gesamten Erfahrung des Lebens. Er wollte die verborgene Weisheit in jedem Menschenwesen wecken. Mein Vater, Professor Raghu Vira, war mit Nicholas Roerich gut bekannt. Mein Vater war ein hervorragender Gelehrter, so wie auch in gleicher Weise Kämpfer für die Unabhängigkeit. Während ihrer Treffen sprachen sie viel über die Blüte der kulturellen Werte. Mein Vater hielt ihn stets für einen Menschen, der weit von der Politik entfernt ist. Die Roerichs kannten die Führer unserer Unabhängigkeitsbewegung gut, nahmen aber niemals daran teil. Sie hielten sich stets von der Politik fern. Halten Sie den Namen Roerichs aus dem politischen Schmutz." [6] Lassen wir Ljudmila Wassiljewna Schaposchnikowa, Generaldirektorin des Roerich-Museums in Moskau, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, die viele Jahre ihres Lebens der Erforschung der Zentralasiatischen Expedition Nicholas Roerichs gewidmet hat, zu Wort kommen: "In der Geschichte ist kein einziger Fall bekannt, dass während einer zahlenmäßig kleinen Expedition ein Staat geschaffen worden wäre," sagt sie. "Dazu noch auf dem Territorium eines bereits bestehenden Staates. Eine derartige Darstellung in der Arbeit Rossows enthält keine Beweise, lediglich seine eigenen Vermutungen. Vermutungen haben in der historischen Wissenschaft jedoch nicht den Status von Beweisen". [6] Die oben angeführten Worte sind vollumfänglich auf Ernst von Waldenfels, den Autor des Buches "Nikolai Roerich - Kunst, Macht und Okkultismus" anwendbar.

Am Ende des Buches schreibt Waldenfels mit Dankbarkeit über O.Schischkin und A. Andrejew. Es kümmert ihn nicht, dass das Tverer Interkommunalgericht Moskaus die Informationen in den Artikeln O.Schischkins und in der Zeitung "Segodnya" am 18. Januar 1996 als nicht der Wahrheit entsprechend verurteilt hat. Und dass auf der Website des Internationalen Rates der Roerich-Organisationen namens S.N.Roerich nicht gerade wenige Artikel über die Bücher A. Andrejews nachzulesen sind (http://www.roerichs.com/), in denen die Entstellungen des philosophischen Erbes unserer hervorragenden Landsleute aufgedeckt werden.

Es ist anzumerken, dass Ernst von Waldenfels während des Zusammentragens des Materials über Nicholas Roerich seltsamerweise die Existenz des Internationalen Roerich-Zentrums in Moskau nicht bemerkt hat, einer internationalen öffentlichen Organisation und assoziierten Mitgliedes des Departments für öffentlichen Informationen bei der UNO, eines kollektiven Mitgliedes des Internationalen Museums-Rates (ICOM), eines Mitgliedes der Gesamteuropäischen Gemeinschaft für das Kulturerbe "Europa Nostra". Das Zentrum führt große wissenschaftliche Arbeiten zur Erforschung des Erbes der Roerichs (jährlich stattfindende internationale wissenschaftlich-gesellschaftliche Konferenzen, Arbeit des Vereinigten Wissenschaftlichen Zentrums für Fragen des kosmischen Denkens, wissenschaftliche Publikationen) aus und ist Bewahrer des Archives der Roerich-Familie. Ebenfalls nicht bemerkt hat er die Arbeiten bekannter russischer Erforscher des Schaffens Nicholas Roerichs, wie P. F. Belikows, W. P. Knjasews u.a., sowie die grundlegenden Werke des Mitgliedes der Akademie der Wissenschaften L.W.Schaposchnikowa, unter deren Führung das Internationale Roerich-Zentrum arbeitet. Gerade in den Werken von Ljudmila Schaposchnikowa wird die einzigartige Persönlichkeit Nicholas Roerichs als großer Maler und Gelehrter, Denker und unermüdlich Reisender, als weltweit anerkannte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens Maßstabes der Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in der untrennbaren Verbindung mit der Lebendigen Ethik und der Philosophie der kosmischen Realität betrachtet. Ernst von Waldenfels erwähnt die Lehre der Lebendigen Ethik im Buch so gut wie nicht, obwohl diese doch die Grundlage ist, auf die sich die ganze wissenschaftliche und kulturelle Tätigkeit des großen Malers und Humanisten stützte. Das Unverständnis über die Bedeutung der Lebendigen Ethik hat den Autor zu seinen falschen Interpretationen der Biografie Nicholas Roerichs gebracht.

Im seinem Buch nennt Waldenfels die Lebendige Ethik "eine Geheimlehre namens "Agni Yoga"" [2]. Aber an dieser Lehre ist nichts Geheimnisvolles. "Diese Bücher geben dem ganzen Denken eine Richtung, indem sie neue Gebiete aufzeigen, neuen Meilensteine für alle wissenschaftlichen Forschungen festlegen," schrieb die bekannte Philosophin Helena Iwanowna Roerich. "Diese Bücher sind so lebensnah, so lebensnotwendig, weil sie in die Zukunft weisen. Die Bücher der Lehre sind eine unerschöpfliche Quelle für die Gelehrten, deren Bewusstsein nicht durch Vorurteile verdunkelt ist. Der Mensch ohne Vorurteile, in Voraussicht der Zukunft lebend, nutzt sie schon wahrhaft und erleichtert dadurch auch die Gegenwart." [7, S. 201]. Die modernen Gelehrten studieren mit großem Interesse die Philosophie der kosmischen Realität. Seit 1992 finden im Internationalen Roerich-Zentrum alljährlich internationale wissenschaftlich-gesellschaftliche Konferenzen statt, während jeder von ihnen wurden in der einen oder anderen Art Fragen der Lebendigen Ethik diskutiert. Die internationalen wissenschaftlichen-gesellschaftlichen Konferenzen "Kosmische Weltanschauung - Neues Denken des XXI. Jahrhunderts" (2003), "Lebendige Ethik und die Wissenschaft" (2007), "Lebendige Ethik als schöpferischer Impuls der kosmischen Evolution" (2011) waren direkt der Philosophie der kosmischen Realität gewidmet. Alle Materialien der Konferenzen sind in wissenschaftlichen Sammlungen veröffentlicht.

Das Buch Ernst von Waldenfels "Nikolai Roerich - Kunst, Macht und Okkultismus" präsentiert dem Leser ein verzerrtes Bild des Malers, Gelehrten und Denkers. Erniedrigung, Herabsetzung und Verzerrung eines herausragenden Menschen - dies ist das Ziel dieses Buches. Aber es ist altbekannt: Hoffe nicht, erhöht zu werden, wenn Du Andere herabsetzt.

Zum Schluss bleibt Ernst von Waldenfels und den Herausgebern seines Buches für 2012, dem "Jahr der russischen Kultur in Deutschland" und dem "Jahr der deutschen Kultur in Russland" zu wünschen, eine Möglichkeit zu finden, das Internationalen Roerich-Zentrum in Moskau zu besuchen und für sich die wahre Gestalt eines Malers von Weltruf zu entdecken - Nicholas Konstantinowitsch Roerich.

E.S.Kulakowa, Doktor der Kunstwissenschaften, Mitglied des Internationalen Rates der Roerich-Organisationen namens S. N. Roerich, Leiterin des Volksmuseums der Roerichfamilie (Russland, Nowokuznetsk)

 

http://www.roerich-deutschland.de/html/worte_aus_novokusnezk.html

 

 

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Anmerkungen:

 

1. Rjabinin K.N. Bloßgestelltes Tibet. Samara, 1996.

2 .Ernst von Waldenfels. Nikolai Roerich - Kunst, Macht und Okkultismus. Berlin, 2011. 560 S.

3. Roerich N. Das Herz Asiens // Roerich N. Blumen aus dem Garten Morijas. Wege des Segens. Das Herz Asiens. Riga, 1992.

4. Brief an das Ministerium für Landwirtschaft der USA. OR MZR, f. 1, op. 1, d. (wr. №) 10529.

5. Roerich N.K. Kultur // N.K.Rerich. Blätter des Tagebuches. Bd. 3. Moskau, 1996. S. 618 - 619.

6. Die Russische Wissenschaft braucht ein wahres Bild Roerichs // Nesawissimaja Gaseta. - 2007. - 14. November (№ 243).

7. Roerich H.I. Briefe: in 9 Bd.. Bd. 2. Moskau: ICR, 2000.

8. Roerich N.K. Entfacht die Herzen. Moskau, 1990. S. 185.

 

 


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