Übersetzung aus dem Russischen ins Deutsche: Friedrich Richter, Freiberg, BRD, 2002

 
 

Artikel der Ersten Vizepräsidentin des Internationalen Roerich-Zentrums, Generaldirektorin des Nikolaj-Roerich-Museums Ljudmila Wasilewna Schaposchnikowa im Zusammenhang mit der gesetzwidrigen Veröffentlichung der Tagebücher Helena Roerichs aus den Jahren 1920 - 1935 durch den Verlag „Sfera“

 

 Die Verräter
 

„Schützen Sie sich vor Verrätern – die Ansteckungsgefahr von ihnen ist groß, und wir müssen alle Leute, die vertrauensvoll unter das Dach des Tempels der Kultur gekommen sind, vor Verrätern schützen! Schwäche und Gewaltfreiheit gegen das Böse sind nichts für uns. Wenn es notwendig ist, heben wir das Schwert des empörten Geistes und nehmen in Schutz alles, was uns anvertraut wurde“.

 Helena Roerich
 

Nicholas Roerich. Die unbefleckte Stadt – den Feinden ein Ärger
N.K.Roerich. Die unbefleckte Stadt – den Feinden ein Ärger

Zuerst ein Auszug aus der Werbung, der verlockend so betitelt war: „Zum ersten Mal sind im Druck die einmaligen Materialien aus den Agni-Yoga-Aufzeichnungen von Helena Iwanowna und Nikolaj Konstantinowitsch Roerich: „Die Offenbarung“ (ein Band) und „Der hohe Weg“ (zwei Bände). Und weiter: „Das erste Buch ist praktisch die vollständige Sammlung der Aufzeichnungen, die an sich zu den bisher noch nicht veröffentlichen Paragraphen der Lebendigen Ethik gehören.<...> Sie enthalten zugleich mit den anderen wertvollen Aufzeichnungen auch diejenigen, deren Veröffentlichung in den ersten Büchern der neuen Lehre Helena Roerich noch nicht für zeitgemäß hielt. Die zweibändige Ausgabe „Der hohe Weg“ ist die ausführlichste Sammlung der Hinweise und Vorschriften des Lehrers, die an Helena und Nikolaj Roerich als Schüler gerichtet waren, die eine besondere praktische Erfahrung des Agni Joga durchgemacht haben und eine ganz besondere höhere Mission hatten. Vor uns entfaltet sich endlich das erstaunliche und ergreifende Bild des langjährigen geistigem Epos dieser großen Menschen (einschließlich der einzigartigen feurigen Erfahrung der Mutter von Agni Joga), über das wir bis jetzt nur Vermutungen anhand der ziemlich bescheidenen Hinweise aus den schon veröffentlichen Quellen haben konnten. Wir sind sicher, dass diese drei neuen Bände von Agni Joga zum besten geistigen Festmahl für die Anhänger dieser Lehre werden...“ Die Werbung, die vom Verlag „Sfera“ im Internet veröffentlicht worden ist, war in den besten Markttönen verfasst. Als „Hauptgericht“ dieses „Festmahls“ wurden die Tagebücher von Helena Roerich angeboten, eben die Tagebücher, für deren Veröffentlichung die Zeit noch nicht gekommen ist und deren Bekanntmachung von Helena Roerich selbst verboten worden war.

 

Die Originale dieser Tagebücher sind im Jahr 1990 von Swjatoslaw Nikolajewitsch Roerich dem Internationalen Nikolaj-Roerich-Zentrum (INRZ) gemeinsam mit den anderen Teilen des Nachlasses von Helena und Nikolaj Roerich überreicht worden. Damals hat er auch die Anweisung gegeben, wie mit den Tagebüchern umgegangen werden soll. 1992 hat er seine Hinweise ergänzt, was uns ermöglicht hat, in den Jahren 1993 und 2000 das Buch „An der Schwelle der neuen Welt“ zu veröffentlichen, das allgemeinen Charakter trägt und die Praxis der „Feurigen Erfahrung“ von Helena Roerich nicht betraf, die den innigsten Teil der Tagebücher bildete und von dem in der Werbung gesagt wurde „man konnte nur Vermutungen anhand der außerordentlich bescheidenen Angaben aus den schon veröffentlichten Quellen haben“.

 

Die Anweisungen Swjatoslaw Roerichs wurde im INRZ strikt ausgeführt. Und jetzt wurde uns das fragwürdige „Festmahl“ angeboten. Das war für uns um so unerwarteter, da der uns sehr gut kennende Verlag alles geheim gemacht hat und das INRZ - eine daran interessierte Organisation - über die in Vorbereitung befindliche Veröffentlichung nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Die Verhandlungen mit dem Verlag, die Ende Januar dieses Jahres zustande gekommen waren, haben zu nichts geführt. Auf den offiziellen Brief mit unserem Protest folgte keine Antwort1. Dafür kam später eine Drohung, dass die ganze Geschichte „Entin selbst“ mitgeteilt werde. So erschien auf der Bühne noch eine Figur – Herr Entin „selbst“, der stellvertretende Direktor des Nikolaj-Roerich-Museums in New York. Herr Entin als Chef hat uns unverzüglich (01.02.02) einen Brief zugeschickt, der in Stil und Inhalt an eine Botschaft des „vornehmen Herrn“ aus Amerika an eine Gruppe von frech gewordenen Taugenichtsen aus dem INRZ erinnert, das den Verlag „Sfera“ auf seine ungesetzlichen und unanständigen Handlungen hingewiesen hatte. Herr Entin bot Überlegungen juristischer und ethischer Art. Die letzteren reduzierten sich auf das Folgende. Ich zitiere: „Im Jahr 1948 hat Helena Roerich an Sinaida Fosdik (Direktorin des Nikolaj-Roerich-Museums in New York seit 1949 – L. Sch.) geschrieben, wobei sie erklärte, dass sie Sina und Dadley, deren Ehemann, das Recht zur Veröffentlichung „in Amerika und Europa“ gebe. Dieser Brief befindet sich ohne Zweifel in Ihrem Archiv und Ihre Kollegen sind bestimmt davon unterrichtet. Vielleicht haben sie wegen eigener Interessen beschlossen, den Brief nicht zu berücksichtigen.

 

Ein Experte für Urheberrechte hat mir versichert, dass das Museum in New York die bevorzugten Urheberrechte in Bezug auf den Inhalt der Notizbücher (damit sind die Tagebücher Helena Roerichs gemeint – L. Sch.) hat, die sich im Archiv des Amherst Kollegs befinden. Weil Helena Roerich die Tagebücher an Sina Lichtmann (später Fosdik) zur Verwendung in Amerika geschickt hat und laut ihrem Testament alle ihre Rechte an dieses Museum übergangen sind. Die Horchs hatten diese Tagebücher ungesetzlich im Besitz und danach haben sie sie an das Amherst Kolleg übergeben. Aus dem Briefwechsel mit dem Kolleg folgt, dass sie, laut Gesetz, den Zugriff zu den Tagebüchern kontrollieren, aber auf die Urheberrechte des Materials selbst keinen Anspruch erheben. Niemals danach, nicht in Briefen und nicht in irgendwelchen Papieren, die von irgend jemandem unterschrieben wurden, wurden diese Bedingungen verändert. Freilich kann es zu Mißverständnissen in dieser Hinsicht kommen, weil Swjatoslaw Roerich, obwohl er sich diese Dinge nicht immer genau vorstellte, auf solche Rechte Anspruch erhoben hat und den anderen sie gab, wobei er in Wirklichkeit diese Rechte gar nicht besaß“.

 

Lassen wir erst einmal einen für Herrn Entin so gewöhnlichen Angriff auf Swjatoslaw Roerich, den jüngsten Sohn von Helena und Nikolai Roerich und deren gesetzlichen Erbe, beiseite.

 

„Ich war, so schreibt der würdige Herr weiter, über die Meinungen von Catrin Stibbe zu vielen Fragen über viele Jahre hinaus vollkommen im Bilde. Ich habe mit ihr über diese Fragen öfters diskutiert. Im Jahr 1992 einmal (wie immer, fehlen die Monate – L. Sch.), als ich mit ihr das Problem der Veröffentlichung der Materialien aus dem Archiv (welche lMaterialien, aus welchem Archiv? - L. Sch.) besprach, war Catrin zuerst dagegen, dann hatte sie Zweifel, und wir haben beschlossen, Swjatoslaw anzurufen, ihn nach seiner Meinung zu fragen und uns mit ihm zu beraten. Vieles wurde in solchen Telefongesprächen entschieden, weil Catrin mit Swjatoslaw mehrmals pro Woche telefonierte. Als ich Swjatoslaw über diese Sache fragte (Catrin hätte es Entin kaum erlaubt und hätte selbst gesprochen – L. Sch.), hat er sofort geantwortet und zwar ganz klar: „Es muss keine Geheimhaltung mehr sein. Alle Materialien müssen zugänglich sein“.

 

Das war seine Antwort und das ist zu unserer Praxis geworden. Warten wir etwas mit den Kommentaren und wenden wir uns einer anderen Quelle zu. Vorher aber wollen wir eine kurze historische Information geben.

 

Die Tagebücher von Helena Roerich, die sich Louis und Netti Horch zur Zeit ihres Verrats angeeignet hatten, der dann zur Auflösung des ersten Nikolaj-Roerich-Museums in New York2 geführt hatte, waren nicht die Originale, sondern von der Verfasserin angefertigte Kopien. Nach 1935 hat Helena Roerich keine Kopien ihrer Tagebücher mehr an das Museum in New York geschickt3. 1936 hat sie folgendes geschrieben:

 

H.I. Roerich an S. G. Lichtman (Fosdik – L. Sch.). 07.01.36.

 

“Vor einigen Jahren habe ich Sie gebeten, Frau Netti Horch zur Aufbewahrung meine Aufzeichnungen in den Heften (vom 24. März 1920 bis zum 3. Februar 1935) zu geben, dabei wurden diese Materialien konsequent ergänzt<...>.Alle diese Materialien bitte ich Sie, nach einer Beratung mit Juristen an sich zu nehmen und bei sich aufzubebewahren (unterzeichnet von mir L. Sch.), bis Sie von mir weitere Instruktionen bekommen.

H. I. Roerich an G. Plaut, G Devis. 14.02.36.

“Hiermit beauftrage ich Sie, alle meine Tagebücher - Manuskripte in schwarzen Heften, die von mir geschrieben sind (vom 24.03.1920 beginnend bis zum 03.02.1935 einschließlich), bei Frau Netti Horch (310 Riverside Drive) abzuholen <…>. Bitte geben Sie diese Hefte Frau Sinaida G. Lichtmann, New York”.

 

N. K. Roerich, H. I. Roerich an G. Lichtmann, F. Grant, K. S. Campbell, M. Lichtmann. 11/12.O3.36.

 

“Wir machen uns große Sorgen um die Manuskripte, man darf sich doch nicht das Eigentum von H. I. aneignen und alle ihre Urheberrechte verletzen. In Protokollen der Sitzung des Gerichts (der Fall von Horch) wurde erwähnt, dass Frau Horch Manuskripte zur Aufbewahrung (unterzeichnet von mir L. Sch.) angenommen hat. Sie hat kein Recht, diese Manuskripte bei sich zu behalten, im Fall der Zurückhaltung von Manuskripten kann gegen diese Leute eine große gerichtliche Klage wegen Verletzung der Urheberrechte erhoben werden.”

 

E. I. und N. K. Roerich an S. G. Lichtmann, F. Grant, K. Campbell, M. Lichtmann. 19.03.36.

 

“Ist es wirklich wahr, dass Sie bis jetzt die Manuskripte von H. I. nicht erhalten haben? Das ist doch direkter Diebstahl des literarischen Eigentums! In diesen Manuskripten sind doch so viele Legenden, Vorhersagen, uralte Bräuche gesammelt, dass der Diebstahl dieser im Laufe der Expedition gesammelten Werke ein Verbrechen ist, und wegen des großen Schadens gerichtlich verfolgt werden muss.”

 

H. I. und N. K. Roerich an S. G. Lichtmann, F. Grant, K. Campbell, M. Lichtmann. 22.03.36.

 

“Die Zurückhaltung von Manuskripten ist ein unerhörtes Verbrechen. Wir wissen es nicht, was die Übeltäter mit Hilfe der Manuskripte erdichten werden. <...> Es ist sehr gut, dass Sie alle Zeugen davon sind, dass das Material nur zur Aufbewahrung (unterzeichnet von mir - L. Sch.) gegeben wurde, das wurde in Protokollen vielmals bestätigt.<...>. Schreiben Sie von allen, die neu dazugekommen sind und deren Herzen mit aufrichtiger Entrüstung gegen diese vor sich gehende böse Tat entflammen. Die Herzen von Frauen, die Vertreter des Landes, die Welt von Gelehrten und Künstlern – sie alle müssen doch das Gefühl der Gerechtigkeit empfinden!”

 

N. K. und H. I. Roerich an S. G. Lichtmann, F. Grant, K. Campbell und M. Lichtmann.28./30.03.36.

 

“Die Frechheit und Ekelhaftigkeit dieses neuen Versuches der Aneignung der Manuskripte geht wirklich über alles Maß. Kann man etwa annehmen, dass vom Jahr 1920 an alle Manuskripte verschenkt wurden und dazu an zwei Menschen (Netti Horch und Ester Lichtmann – L. Sch.), das an sich ist schon nicht der Wahrheit gemäß. Denn eine von diesen beiden kennt ja nicht einmal die Sprache des Manuskriptes ! Gab es solche Fälle in der Geschichte, dass ein Tagebuch zwischen zwei Menschen geteilt worden wäre!? Wusste denn Sina nicht, als sie Teile des Tagebuchs aus der Mongolei mitnahm, dass es zur Aufbewahrung (unterzeichnet von mir - L. Sch.) wegen unserer Abreise nach Tibet fortgebracht wurde? Das Ganze ist nicht der Rede wert. Ich selber habe Teile von diesem Tagebuch nicht als Geschenk, sondern zur Aufbewahrung weggebracht. Was für ein ungeheuerlicher Versuch der frechen Aneignung der Arbeit von 16 Jahren!!”

 

H. I. und N. K. Roerich an S.G. Lichtmann, F. Grant, K. Campbell, M. Lichtmann.12/20.04.36.

 

“Die ersten Manuskripthefte sind in Amerika erst 1925 eingetroffen. Wir haben sie über Wladimir Anatolewitsch Schibaew zur Aufbewahrung geschickt.”

 

N. K. Roerich, H. I. Roerich an S. Lichtmann, F. Grant, K. Campbell und M. Lichtmann. 19/20.04.36.

 

...gestern haben wir an sie ein Telegramm geschickt, um den Verrätern zuvorzukommen, damit sie die Manuskripthefte nicht missbrauchen. Die Manuskripte waren doch nur zur Aufbewahrung gegeben worden und einige Hefte waren sogar versiegelt. Wenn es aber dazu kommen sollte, dass die Verräter den Sinn entstellen, dann zeigen sie damit, dass sie das ihnen zur Aufbewahrung anvertraute Eigentum missbrauchen. Die Rechtsanwälte kennen sicherlich den entsprechenden Paragraphen des Gesetzes, der das zur Aufbewahrung anvertraute Eigentum schützt.”

 

H. I. Roerich an K. I. Sture. 29.05.36.

 

„Nicht nur die Shares (Aktien - L. Sch.) hat sich die Familie Horch angeeignet, sondern auch alle meine Manuskripte – die Tagebücher von ganzen 15 Jahren, die ich nach Amerika zur Aufbewahrung geschickt hatte. Um sie mir nicht zurückzugeben, behaupten sie frech, dass ich sie ihnen geschenkt hätte. Aber man muss bedenken, ob es der Wahrheit gemäss wäre, dass das ganze literarische Material, das im Laufe von so vielen Jahren gesammelt worden war und von dem so viel noch nicht veröffentlicht worden ist, von mir an die Leute verschenkt worden wäre, die nicht einmal die russische Sprache kennen, in der dieses literarische Material geschrieben wurde!!! Aber schließlich ist das nur ein Teil von der bösen Absicht der Verräter, es gibt noch andere Teile. Wirklich, dieser Verrat ist schlimmer als der Verrat der Familie Kolumb im Fall Blawatskaja und der Verrat von Ludwig XVI. an Saint Germain.

 

H. I. Roerich an N. P. Serafinina. 12.O6.36.

 

„Jetzt über Amerika. Die Verräter handeln in der scheußlichsten illegalen Weise, sie schicken an alle unsere Freunde, Gesellschaften und befreundete Institutionen verleumderische Briefe (Wie bekannt, Herr Entin! – L. Sch.) <...> Natürlich habe ich die Originale der Tagebücher glücklicherweise bei mir, aber bei unseren Umzügen habe ich immer Sorge getragen, die äußerst wertvollen Unterlagen noch in einer Kopie zu besitzen, aber immerhin ist ihre Frechheit (die von Horch – L. Sch.) überwältigend, um so mehr, da es Zeugen dafür gibt, dass diese Tagebücher nach Amerika zur Aufbewahrung geschickt worden waren. Diese Handschriften sind 40 dicke Hefte, eine nicht geringe Arbeit!“

 

E. I. Roerich an Herrn Millikan. 31.O7.36.

 

„Ihr tiefes Verständnis veranlasst Sie, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, um die Manuskripte vor teuflischen Händen zu retten. Mein Herz will vor Schmerz bei dem Gedanken zerspringen, das sie das Heiligste beschmutzen, bösartig verzerren und dem Gelächter preisgeben könnten. Nur wenige verstehen den tiefen Sinn der Großen Führung“.

 

E. I. Roerich an G. Plaut und G. Davis. 04.11.36.

 

„In Ergänzung zu meiner Erklärung vom 27. März 1936 über die Rückgabe meiner Manuskripte muss ich Folgendes darlegen:

 

1.Die erste Büchersendung, die von Herrn V. Schibajew über das Meer an Frau Sinaida G. Lichtman, New York, zur Aufbewahrung (Unterstreichung von mir – L.Sch.) geschickt worden ist, bestand hauptsächlich aus Heften mit schwarzem Papiereinband amerikanischer Produktion. Sie waren in großer Handschrift und in altrussischer Orthographie geschrieben.

 

2.Die letzte Sendung bestand aus Heften französischer Produktion, sie waren viel dicker, in biegsamen, schwarzen, karierten Umschlägen, der Text war in moderner russischer Orthographie geschrieben, in kleiner Handschrift, um die Sendung nicht schwerer zu machen.

 

3.Das letzte Heft, abgeschlossen am 3. Februar 1935, war das größte, in blauem Umschlag, mit vergoldeter Umrahmung“.4

 

Aus den oben zitierten Briefen haben wir erfahren, dass Helena Roerich zu ihrer Zeit vom für sie wertvollsten Material Originalkopien gemacht hat, weil sie befürchtete, die Originale dem Zufall auszusetzen, der zum Verlust dieser Unterlagen hätte führen können. Die Originalkopien aber, die sie nach Amerika geschickt hatte, hätten in einem solchen Fall die Lage retten können. Die ersten solchen Kopien wurden an das New Yorker Museum im Jahre 1925 geliefert, die letzten – im Februar 1935. Es gibt keinen Zweifel, dass die Kopien zur Aufbewahrung dorthin geschickt worden waren, nicht aber „zur Nutzung in Amerika“, wie Herr Entin behauptet.

 

Zum Zeitpunkt des Verrats der Horchs hat Helena Roerich die philosophischen Materialien, die in den Tagebüchern bis 1935 enthalten waren, systematisch geordnet und veröffentlicht. Das waren die ersten Bücher der Lebendigen Ethik. Aber das von ihr veröffentlichte Material war nur ein Teil der Tagebücher, der andere Teil, der geheime, der die Praxis der „Feurigen Erfahrung“ enthielt, war nicht zur alsbaldigen Veröffentlichung vorgesehen. Die von den Horchs angeeigneten Kopien zurückbekommen, gelang ihr nicht. Die amerikanischen Mitarbeiter hatten auch nicht die Macht, ihr zu helfen. Einige Zeit später hat Horch die Tagebücher an das Amherst Kolleg verkauft, wo sie sich bis jetzt befinden.

 

Von allem Unglück, das die Roerichs nach Horchs Verrat getroffen hatte, war der Verlust der Tagebuchkopien das größte und schlimmste für sie. In den Händen des Verräters war das Verborgendste geblieben, das, wofür die Roerichs die Heldentat ihres Lebens vollbracht hatten.

 

Und obwohl Herr Entin behauptet, dass die Briefe von Helena Roerich die Veröffentlichungen im Verlag „Sfera“ nicht betreffen, erlaube ich mir trotzdem, ihm nicht zuzustimmen. Die Briefe betreffen diese Veröffentlichungen, und in hohem Maße! Weil sie die juristische Lage der Tagebücher, die nach Amerika geschickt worden sind, bescheinigen. Ich erinnere die Leser noch einmal daran, dass Helena Roerich die Originale bei sich behalten hatte und dass sie dort bestens aufgehoben waren und von Swjatoslaw Roerich an das IRZ übergeben wurden, wo sie sich bis jetzt befinden.

 

Somit ging es von Anfang an nicht darum, ob die Urheberrechte Netti Horch, Sinaida Fosdik oder dem Museum selbst gehören. Die Urheberrechte gehörten nach wie vor Helena Roerich, und sie bestätigt das in ihren Erklärungen an die Juristen, die diesen nicht leichten Prozess geführt haben. Was den im Jahre 1948 von Helena Roerich an S. G. Fosdik geschriebenen Brief betrifft, auf den sich Herr Entin bezieht und dessen genaues Datum absichtlich weggelassen worden ist, so existiert er wirklich in unserem Archiv und trägt das Datum 22. März 1948, aber er hat keinerlei Beziehung zu den arglistigen Behauptungen des Herrn Entin davon, dass Helena Roerich „der Sina (Fosdik – L. Sch.) und deren Ehemann Dadley die Rechte auf Veröffentlichung in Amerika und Europa“ überlässt. Mit Sicherheit hat er keinen Bezug auf Helena Roerichs Tagebücher. Ich zitiere: „Das Recht auf die Übersetzung und die Herausgabe der Bücher der Lehre in den beiden Amerikas und in Europa übertrage ich Sinotschka und Dadley“ Man kann erstaunt sein über diese Fälschung und den Betrug, auf den sich der „Chef Entin“ einlässt, indem er bemüht ist zu beweisen, dass das New Yorker Museum die Rechte zur Herausgabe der Tagebücher habe. Die Bücher der Lehre – das sind nicht die Tagebücher, sondern jene Bücher der Lebendigen Ethik, die seinerzeit von Helena Roerich veröffentlicht oder für den Druck vorbereitet worden sind. In dem zitierten Brief werden sogar die konkreten Bücher der Lehre der Lebendigen Ethik, solche wie „Agni Joga“, „Grenzenlosigkeit“, „Das Herz“, “Die Hierarchie“ und andere erwähnt. Ich nehme an, dass alles klar ist. Aber eine Lüge bringt die nächste hervor. Wie Sie sich erinnern, behauptet Herr Entin in seinem Brief, dass ein gewisser, nicht genannter „Experte für Autorenrechte“ ihm versichert habe, dass das “Museum in New York die bevorzugten Autorenrechte auf die Notizbücher (die Tagebücher von Helena Roerich - L. Sch.) besitze, die im Archiv des Amherst-Kolleg aufbewahrt werden. Wir wissen aber jetzt genau, dass die Tagebücher weder an Sinaida Grigorewna Fosdik noch an Netti Horch „zur Verwendung in Amerika“ ausgehändigt, sondern nur „zur Aufbewahrung“ übergeben worden waren. Es gibt keine juristischen Dokumente, die von einer Statusveränderung der Tagebücher Helena Roerichs in Amerika zeugen und offenbar hat es sie auch nicht gegeben. Welches Recht auf diese Tagebücher könnte in diesem Falle im Vermächtnis der Sinaida Grigorewna enthalten sein? Ich erinnere daran, dass der „Chef“ Entin im Zusammenhang mit den Aufbewahrungsbedingungen der Tagebücher im Amherst-Kolleg geschrieben hatte: „Niemals später, weder in Briefen, noch in von irgend jemandem unterschriebenen Papieren, gab es eine Veränderung dieser Bedingungen“. Zur Absicherung haben wir im Amherst-Kolleg nachgefragt. Geantwortet hat uns Susan Rain, Vertreterin einer juristischen Firma, die das Amherst-Kolleg betreut. „Sie bitten mich zu bestätigen“, so schrieb Frau Rain, ob das Amherst-Kolleg irgend wann einmal beabsichtigte, die Verlagsrechte an den Heften der Helena Roerich, die sich in seiner Verfügung befinden, weiterzugeben, soviel ich weiß, hat unser Kolleg derartige Rechte niemals weitergegeben und hat das auch nicht beabsichtigt“. (03. 04.02)

 

Später entstand die Legende davon, dass Herr Pelischek, Direktor des Verlags „Sfera“, selbst die Erlaubnis zur Veröffentlichung vom Amherst-Kolleg erhalten habe. Wiederum wurde beim Amherst-Kolleg nachgefragt, und dieselbe Susan Rain hat Folgendes geantwortet: “Das Amherst-Kolleg hat seine Archive überprüft und setzt davon in Kenntnis, dass keinerlei Dokumente, die eine Erlaubnis für Herrn Pilischek betreffs der Arbeiten von Nikolaj und Helena Roerich bestätigen würden, gefunden worden sind. Mehr noch, Herr Lancaster (der Kustos des Archivs und der Bibliothek des Amherst-Kollegs – L. Sch.), erinnert sich nicht, dass es irgend eine Absprache mit Herrn Pilischek betreffs dieser Frage gegeben habe. <...> Diese Erklärung zur Frage der Übertragung von Rechten muss als endgültig angesehen werden“. (17.04.02)

 

Damit endet das System der des juristischen Beweise des „Chefs Entin“ und des an ihn angeschlossenen Herrn Pelischek, und es beginnt der so genannte ethische Teil. Diesen kann man kurz „Die Lebenden und die Toten“ nennen.

 

Es ist erstaunlich, aber es ist eine Tatsache, oftmals ergeben sich im Leben derer, die von uns gegangen sind, erschütternde Momente, von denen nicht nur die ihnen Nahestehenden Kenntnis hatten, sondern sogar auch sie selber nicht. In diesem Falle haben wir es mit einem derartigen Phänomen zu tun. Ich war noch zu Lebzeiten von Swjatoslaw Roerich und Catrin Stibbe aus Gründen von Helena Roerichs Tagebüchern mit ihnen beiden zusammengekommen. Anfang 1990 war ich auf Einladung von Swjatoslaw Roerich nach Banglador in Indien gekommen, um das Erbe seiner Eltern Helena und Nikolaj Roerich zur Überführung nach Russland vorzubereiten. Swjatoslaw Roerich hatte dieses Erbe an den Sowjetischen Roerich-Fonds übergeben, der später in das „Internationale-Roerich-Zentrum“ umbenannt worden ist. Unter allem anderen befanden sich auch Helenas Tagebücher, und zwar die Originale, nicht die Verfasser-Kopien, die sie seinerzeit nach Amerika geschickt hatte. An einem dieser Tage hatte ich ein Gespräch mit Swjatoslaw Roerich über diese Tagebücher. Er sagte, dass diese das Wichtigste seien, was im Nachlass vorhanden ist, und dass ein Teil von ihnen veröffentlicht und in die Bücher der Lebendigen Ethik eingegangen sei, aber ein Teil noch auf seine Zeit warte. Jetzt dürfe man diese Tagebücher nicht veröffentlichen, aber was ihre Publikation im ganzen beträfe, so müsse bis dahin noch viel Zeit vergehen. Dann wurden mir die Anweisungen übergeben, wie mit diesen Tagebüchern umzugehen sei. Als ich den Nachlass nach Moskau gebracht hatte, habe ich der Leitung des Internationalen-Roerich-Zentrums und danach den Vertretern der Roerich-Organisationen über den besonderen Status der Tagebücher Mitteilung gemacht. Ich nehme an, dass sich viele daran erinnern. Im April 1992 hat Swjatoslaw Roerich in Form eines Briefes einen Appell an die Roerich Organisationen von Russland und der GUS-Staaten geschrieben, in dem er an die mir gegebenen Anweisungen und die Unzulässigkeit der Veröffentlichung einer Reihe von Unterlagen, die sich im Archiv des IZR befinden, schon in nächsten Zukunft erinnert hat. Herr Entin glaubt, dass dieser Brief eine Fälschung sei, und, ohne verlegen zu werden, spricht er auch darüber in der Öffentlichkeit. In diesem Zusammenhang möchte ich Herrn Entin eine Frage stellen. Was hat ihn daran gehindert, zu überprüfen, ob er Recht hat oder nicht, indem er behauptet, dass der Brief von Swjatoslaw Roerich eine Fälschung sei? Swjatoslaw Roerich war damals noch am Leben und war bei gesundem Verstand und gutem Gedächtnis. Ich bin sicher, dass ausgerechnet diese Umstände Herrn Entin daran verhindert haben, diese Frage zu stellen. Er versteht selbst, dass er lügt. Er lügt genauso unanständig, wenn er behauptet, dass Swjatoslaw Roerich in eben diesem Jahr 1992 das Verbot der Veröffentlichung der Tagebücher und aller Archivmaterialien aufgehoben habe.

 

Wenn das aus irgendeinem extremen Grund geschehen wäre, so hätte Swjatoslaw Roerich in erster Linie darüber dorthin, wo die Originale dieser Tagebücher aufbewahrt wurden, und denjenigen, denen er die Anweisungen darüber gegeben hatte, Mitteilung gemacht. Swjatoslaw Roerich war im Gegensatz zu Herrn Entin juristisch bewandert und hat Unterlagen niemals durch Erdichtungen oder durch Lügen ersetzt. Es schmerzt mich jetzt deswegen, weil ein kleinlicher Herr und auch diejenigen, die ihm helfen, versuchen, durch ihre Lügen die große Persönlichkeit des Verstorbenen zu demütigen.

 

Dass Herr Entin die Catrin Stibbe, die jetzt auch nicht mehr am Leben ist, zum Zeugen des von ihm erfundenen Gesprächs mit Swjatoslaw Roerich angerufen hat, macht den Beweis nicht kräftiger, sondern zerstört ihn. Wenn man dem „Chef Entin“ glaubt, so wird es unklar, warum er von unserer Veröffentlichung „An der Schwelle zur neuen Welt“ geschockt war. Denn nach seinen Worten hat Swjatoslaw Roerich im Jahr 1992 alle Verbote zur Veröffentlichung der Tagebücher aufgehoben. „Keinerlei Geheimnisse!“ Was ist denn mit Ihnen geschehen, Herr Entin, im Jahr 1993, als das Buch „An der Schwelle zur neuen Welt“ erschienen ist? Oder betraf die Aufhebung des Verbotes nur das Museum in New York, und das Museum in Moskau nicht? Was Catrin Stibbe, einen anständigen, hoch moralischen und dem Werk der Roerichs treu ergebenen Menschen betrifft, so kann man kaum glauben, dass sie mit ihnen „viele Probleme“ erörtert hat. Das ist auch eine Lüge. Ich kenne ihre Beziehungen zu Ihnen auch gut, aber im Gegenteil zu Ihnen, werde ich ihre Aussagen über Sie nicht kundtun. Sie würden Ihnen keine Ehre machen. Catrins Stellung zu den Tagebüchern von Helena Roerich hat sich zu ihren Lebzeiten nie geändert. Das sind Sie, der Sie ihre Stellung zu diesen Tagebüchern geändert haben, nachdem Catrin gestorben ist.

 

Ich muss mich wieder meinen Erinnerungen als Zeugin dieser Geschichte widmen. Als ich Anfang 1990 mit dem Nachlass im Anwesen der Roerichs in der Nähe von Bangalor gearbeitet habe, hat Catrin Campbell (Stibbe – L. Sch.) Swjatoslaw Roerich angerufen und hat ihn gebeten, mir auszurichten, dass ich zu ihr in die Schweiz kommen solle, wo sie zu dieser Zeit im Städtchen La Tour de Peilz am Ufer des Genfer Sees lebte . Dann hat sie mich selbt angerufen und ihre Einladung wiederholt. Ich habe ihr erklärt, dass ich jetzt nicht kommen könne, aber werde es unbedingt machen, wenn ich meine Arbeit mit dem Nachlass beendet habe. So haben wir es vereinbart. Dann habe ich Roerich gefragt, womit eine so eilige Einladung zusammenhinge.

 

„Sehen Sie, - sagte er, - Catrin macht sich über die Tagebücher meiner Mutter große Sorgen. Ich habe ihr erklärt, dass ich Ihnen die entsprechenden Anweisungen gegeben habe. Aber Catrin muss es wissen. Sie ist ein sehr verantwortungsbewusster Mensch und möchte mit Ihnen selbst sprechen. Ich glaube, es wird für Sie von Nutzen sein.

 

So befand ich mich im Juni 1990 am Ufer des Genfer Sees bei Catrin Campbell zu Gast. Am Tag nach meiner Ankunft begann Catrin mit mir über die Tagebücher zu sprechen. Sie erzählte mir von deren Bedeutung und teilte mir Helena Roerichs Willen mit: die Tagebücher wenigstens im zwanzigsten Jahrhundert nicht zu veröffentlichen, und vielleicht auch später nicht, im einundzwanzigsten Jahrhundert.

 

Ich bitte Sie, so sagte sie, Swjatoslaws Anweisungen streng zu befolgen.

 

Ich glaube nicht, dass Herr Entin davon nichts gewusst hat. Er befand sich zu dieser Zeit in Genf und ist ein paar Mal bei Catrin in La Tour de Peilz vorbeigekommen. Es schien mir damals, dass sie ihn nicht sehr gastfreundlich behandelt hat...

 

Ende 1991 hat Catrin zwei Kopien von den im Amherst-Kolleg aufbewahrten Tagebüchern von Helena Roerich bestellt. Eine Kopie hat sie mir für unser Museum gegeben, die andere hat sie im New Yorker Museum gelassen. Und das war das einzige Material, das Herr Entin zur Verfügung hatte und das er, ohne irgend ein juristisches Recht darauf zu haben, dem Chefredakteur vom Verlag „Sfera“ zur vollständigen Veröffentlichung in Russland gegeben hat.

 

Ich möchte noch weitere interessante Fakten hinzufügen, die D. Popow unseren Vertretern im Laufe des Gesprächs, das am Anfang dieses Artikels erwähnt wurde, mitgeteilt hat. Daraus haben wir Folgendes erfahren:

 

1.  Popow hat mich als Vertrauensperson Swjatoslaw Roerichs und Direktorin des Nikolaj-Roerich-Museums, in dessen Archiv sich die Originale von Helena Roerichs Tagebüchern befinden, nur deswegen nicht konsultiert, weil die „Schaposchnikowa sehr beschäftigt ist und man zu ihr nicht durchkommen kann“.

 

2.  Popow war der Meinung, dass „der Teil der Gesellschaft, der sich in den letzten 10 Jahren mit der Lehre der Lebendigen Ethik und den anderen Quellen vertraut gemacht hat, zum Verständnis von Helena Roerichs Tagebüchern bereit sei“.

 

3.  Popow und seine Kollegen haben die Frist für die Veröffentlichung der Tagebücher selbst bestimmt, „zum Glück haben wir eigene Fachleute“.

 

4.  Die Kopie der Tagebücher Helena Roerichs hat Popow von Herrn Entin bekommen, „der sie aufbewahrt hatte“.

 

5.  Für die Veröffentlichung der oben genannten Tagebücher     gibt es eine Einwilligung von  Herrn  Entin „selbst“. In    welcher Form  diese Zusage gegeben war, hat Popow nicht erwähnt.

 

Hier ist jedes Wort eine Lüge. Ich bin in Wirklichkeit sehr beschäftigt, aber jeden Tag können Dutzende von Leuten ruhig zu mir „durchkommen“, mit Fragen, die vielmals weniger wichtig sind. Man kann behaupten, dass Popow gar nicht vorhatte, das zu tun. Die von Popow gegebene Definition zur inneren Bereitschaft eines Teils der Gesellschaft zur „Aufnahme der Tagebücher Helena Roerichs“ ist nicht nur eine Lüge, sondern auch eine ungeheuerliche Verantwortungslosigkeit, die dazu geführt hat, dass Popow selbst die Frist für die Veröffentlichung bestimmt hat, ohne dafür irgend eine Vollmacht von der Familie Roerich zu haben, in deren gesetzlichem Eigentum sich diese Tagebücher befanden. Eine Berufung auf die Teilnahme irgend welcher sagenhafter „Fachleute“ an dieser gesetzwidrigen Handlung hält keiner Kritik stand.

 

Ich bin fest davon überzeugt, dass kein ehrlicher Fachmann, der das Material und Helena Roerichs Arbeitsstil kennt, sich an eine Arbeit solcher Art hätte machen können. Was hat eigentlich Popow getan? Er hat Helena Roerichs Gespräche jener Jahre mit dem Lehrer gesammelt, die sie aus ernsthaften Gründen nicht in die Veröffentlichung einbezogen hatte, die aber in denselben Jahren geführt worden waren, aus denen die von ihr veröffentlichten Gespräche stammen (1920-1935), und er hat davon nach seiner eigenen Auffassung eine „Fortsetzung“ von Agni Yoga, oder von der Lebendigen Ethik gemacht. Ich kann das als einen unerhörten geistigen Schwindel bezeichnen. Kein anständiger Fachmann hätte an solchem Material, das nur einen Teil vom Ganzen darstellt, gearbeitet. Die Tagebücher aus den Jahren 1935–1955, die für einige Fälle die Erklärungen für das nicht veröffentlichte Material enthalten, sind zum Glück unzugänglich für die Schwindler und unanständigen Herausgeber geblieben. Ein guter Fachmann hätte sofort diese Art der Arbeit abgelehnt. Die „Fachleute“, die Popow zur Verfügung hatte, kann man nicht als Fachleute bezeichnen.

 

Und man muss endlich verstehen, dass die Frage der Veröffentlichung der Tagebücher Helena Roerichs in der oben dargestellten Weise nicht mit den „Fachleuten“ zusammenhängt, sondern auf juristischem und ethischem Gebiet liegt.

 

Die Behauptung Popows, dass Herr Entin „die Tagebücher aufbewahrt habe“, bezieht sich in keiner Weise auf Herrn Entin selbst. Wir wissen schon, wie er sie erhalten (von Catrin) und „aufbewahrt“ hat, indem er sie vorzeitig in einem für ihn fremden Land zur Veröffentlichung gegeben hat.

 

Ich glaube, dass es an der Zeit ist, die endgültigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Und die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass wir mit einem ungeheuerlichen Verrat von zwei Menschen – Herrn Entin und Herrn Popow - zu tun haben. Der erste, der diesen Verrat initiiert hat, hat ihn materiell und taktisch abgesichert. Der zweite hat diesen Verrat verwirklicht, mit allen daraus folgenden Auswirkungen.

 

Zu alledem muss man noch hinzufügen, dass sogar der Übeltäter Horch, als er diese Tagebücher bei sich hatte, sich nicht dazu entschieden hat, sie zu veröffentlichen, obwohl er alle Möglichkeiten dazu besessen hätte. Die schwarze Tat von Horch hat schließlich Entin mit Hilfe von Popow vollendet. Der Verrat von Horch und Entin läuft in der gleichen Richtung. Der erste hat ungesetzlich die Tagebücher von Helena Roerich an sich genommen, und der zweite hat sich auf die gleiche Weise die Urheberrechte für diese Tagebücher angeeignet und sie insgeheim zum Bösen verwendet. Den Schaden des Verrats haben sie gleichmäßig unter sich aufgeteilt. Obwohl es auch andere Meinungen über die schwarzen Anteile geben kann, die jedem von den beiden zukommen.

 

Ich wage es zu glauben, dass es nicht nur ein Verrat, sondern auch eine große Provokation war, die von zwei Personen begangen worden ist, vom ersten mit voller Berechnung, und vom zweiten -ich kann das noch annehmen – aus Dummheit und Verantwortungslosigkeit. Aber das ändert die Dinge nicht. Die Provokation wurde unter den sehr schwierigen Bedingungen der Existenz des IRZ und der Roerich-Organisationen in Russland unternommen. Herr Entin weiß darüber gut Bescheid. Er kommt doch so oft in unser Land... In dieser Zeit hat er um sich viele sehr ehrgeizige Leute mit ungenügend hohem Bewusstseinsniveau versammelt. Ich glaube, dass sie nicht darauf warten lassen werden, zur Verteidigung ihres „amerikanischen Erziehers aufzutreten, der sie lehrt, wie man die Lebendige Ethik auffassen solle.

 

Herr Entin füllt schon seit langem seine Briefe und die Seiten im Internet mit Verleumdung und Lüge gegen das IRZ und seine Leitung. Es ist bekannt, dass Horch auf die gleiche Weise gehandelt hat, indem er in seinen zahlreichen Briefen und Veröffentlichungen übelriechende Strahle der Verleumdung und der Lüge gegen die Roerichs ausgesendet hat. Es gibt ein lateinisches Sprichwort: „Der Verstorbene fasst den Lebenden“. Horch hat uns gefasst, aber er konnte das nur durch die Lebenden – durch Entin und Popow – tun. Durch sie sind wir Zeugen eines schmutzigen Verrats geworden und können jetzt das begreifen, was Helena und Nikolai Roerich erlebt haben, als Horch sie verraten und verleumdet hatte.

 

Ich war mit meinem Artikel noch nicht fertig, als in Moskau ein Brief von Herrn Entin eintraf. „Wie es Ihnen bekannt ist, schreibt er, hat Ludmila Schaposchnikowa im Oktober zum Kreuzzug gegen jeden aufgerufen, den sie für einen Feind oder eine Gefahr für ihre Kontrolle über die ganze Roerich-Bewegung hält. Jetzt hat sich dieser Kreuzzug im zerstörerischen Versuch gezeigt, den Verlag „Sfera“ an Veröffentlichungen von absolut legalen Büchern zu hindern, die Material enthalten, welches das Internationale Zentrum nicht kontrollieren kann.“ In dem Brief wurde die internationale gesellschaftswissenschaftliche Konferenz, die im Oktober 2001 zur Verteidigung des Namens und des Nachlasses der Roerichs stattgefunden hat, verleumdet. Alle 400 Teilnehmer aus Russland, der Gemeinschaft unabhängiger Staaten und dem fernen Ausland können davon zeugen, dass die Konferenz wichtigere Fragen als einen „Kreuzzug der Schaposchnikowa“ erörtert hat. Personen mit einem solchen Bewusstseinsniveau, wie bei Herrn Entin, sind geneigt, eigene Absichten anderen zuzuschreiben.

 

Und was die unzeitgemäße und ungesetzliche Veröffentlichung der Tagebücher Helena Roerichs durch den oben erwähnten Verlag „Sfera“ betrifft, so werden sich die Roerich-Anhänger aus Russland selber damit auseinandersetzen und wenn sie es wollen, werden sie ihre Meinung dazu Herrn Entin auf dem Postwege, per Telefon, über das Internet oder mit Hilfe anderer ihnen verfügbaren Kommunikationsmitteln zukommen lassen.

 

Und ich möchte diesen Artikel mit einem Zitat aus der Lebendigen Ethik beenden, es ist hier sehr gut am Platz. „Ich höre die Frage – warum gibt es so viele Worte über Verrat? Nur deswegen, weil es so viele Male Verrat gibt. Wenn die Kobra in das Haus hineingekrochen kommt, wird von ihr viel gesprochen. Vor dem Erdbeben kriechen die Schlangen heraus. Es gibt zur Zeit viele solche Schlangen“.5

 

L. W. Schaposchnikowa

Vizepräsidentin des Internationalen Roerich-Zentrums, Generaldirektorin des Nikolaj-Roerich-Zentralmuseums Mitglied der russischen Akademie der Naturwissenschaften

 

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1.  Dieser Brief ist am 11.02.02 eingegangen, aber die Stellungnahme seiner Verfasser ist unverändert geblieben.

 

2.  Jahre später wurde es wieder eingerichtet, dank der Anstrengungen der Roerichs selbst und deren treuen Mitarbeitern, vor allem von Catrin Campbell und Sinaida Grigoriewna Fosdik.

 

3.  Wie sich später herausgestellt hat, hatte Helena Roerich an Catrin Campbell nur einige ihrer Notizen geschickt, die mit den Jahren 1936 – 1944 datiert waren.

 

4.  Alle zitierten Briefe sind im Archiv des IRZ enthalten.

 

5.  Feurige Welt, Teil 3, S. 548.

 
 


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